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/ Trier und die Blaue Lagune

Direkte Demokratie

Trier und die Blaue Lagune

Mehr Mitbestimmung in der Politik, echten Einfluss nehmen auf Entscheidungen, die alle angehen. Das ist der Sinn von direkter Demokratie. Etwas, das es in Luxemburg so nicht gibt. Im Nachbarland Rheinland-Pfalz sind Bürgerentscheide jedoch möglich. Sehr häufig gibt es sie trotzdem nicht. Denn die Hürden dafür sind recht hoch. Doch diese Hürden haben die Menschen in Trier genommen und sie haben Unterschriften gesammelt. Mit Erfolg: Am Sonntag kam es zum ersten Bürgerentscheid überhaupt in der Geschichte der Stadt. Dabei ging es um die Zukunft einer Tankstelle in der Innenstadt.

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3 min

Eine Tankstelle? Ja, richtig gehört. Eine Tankstelle - mit Zapfsäulen, Diesel, Benzin, Super ... Doch das ist in diesem Fall zu kurz gegriffen, will man den Befürwortern glauben. Denn diese Tankstelle mit blau leuchtender Umrandung direkt am Alleenring sei eben mehr als ein Ort, um nur den Tank aufzufüllen, sagen sie. Vielmehr sei sie so etwas wie Kult.

Ein beliebter Ort für Studenten, Nachtschwärmer, Innenstadtbewohner. Von Fans liebevoll die Blaue Lagune genannt. Zum Tanken nutzen die meisten Trierer ihre Blaue Lagune eher weniger - dafür kommen sie lieber nach Luxemburg. Vielmehr kaufen sie hier nachts ihren Nachschub an kalten Getränken, besorgen rund um die Uhr Grillkohle und Bratwürstchen, oder eine Tiefkühlpizza. Das wollen viele Trierer einfach nicht missen.

Mobilmachung via Facebook

Der Trierer Stadtrat jedoch beschloss im Frühjahr mehrheitlich, den Pachtvertrag für die Tankstelle nicht zu verlängern. Stattdessen wollte die Stadt ihre langgehegten Pläne für den Alleenring umsetzen. Die Tankstelle sollte verschwinden, die Grünanlage verlängert und der Fahrradweg ausgebaut werden. Die eigene Bequemlichkeit und das Einkaufen rund um die Uhr seien doch schliesslich nicht wichtiger als Tausende Jahre Stadtentwicklung, appellierte der Trierer Baudezernent Andreas Ludwig. Gemeinsam mit den Tankstellengegnern wurde er nicht müde, die Vorteile eines grünen Alleenrings ohne Tankstellenunterbrechung zu wiederholen.

Doch eigentlich hätte es die Politik besser wissen müssen: Es war schliesslich nicht das erste Mal, dass die "Blaue Lagune" die Trierer Bürgerschaft spaltete. Bereits Ende 2011 gab es im Stadtrat das Bestreben, den Pachtvertrag auslaufen zu lassen. Doch schon damals machten die Freunde der "Blauen Lagune" mobil. Sie gründeten eine Facebook-Gruppe mit mehr als 4.000 Unterstützern. Der Stadtrat verlängerte den Pachtvertrag bis Ende 2017. Die sozialen Netzwerke spielten auch dieses Mal eine wichtige Rolle. Die Befürworter posteten Videos von Angestellten der Tankstelle, Kunden, Politikern, die sich für den Erhalt aussprechen. Und sie sammelten 4.400 Stimmen für einen Bürgerentscheid.

Grillwürstchen und direkte Demokratie

Nun also die Abstimmung. Rund 84.000 Trierer dürfen über die Zukunft der wohl bekanntesten Tankstelle der Moselstadt abstimmen. Ihre Chance, direkten Einfluss auf die Politik zu nehmen. 15 Prozent aller Stimmberechtigten braucht es, um die Tankstelle zu erhalten. Per Liveticker berichtet die Tageszeitung Trierischer Volksfreund vom ersten Bürgerentscheid der Stadt Trier. Nach und nach trudeln die Auszählungsergebnisse ein. Die Spannung im Rathaus steigt. Gegen halb acht steht dann fest: Das Quorum ist erreicht - mehr als 14.000 Bürger sind dafür, dass die "Blaue Lagune" für weitere zehn Jahre an Ort und Stelle verbleibt.

Der Stadtrat wird sich dem Willen der Bürger beugen, das hatte der Trierer Baudezernent schon vor dem Bürgerentscheid angekündigt. Auch wenn er am Sonntagabend gegenüber den Kollegen der Zeitung betont: "Mehrheit heisst nicht Wahrheit." Für die Trierer ist damit jedoch wahr geworden, dass es auch künftig nachts um zwei noch Tiefkühlpizza oder Grillwürstchen gibt. Direkte Demokratie kann manchmal so einfach sein.