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Kultur

"Der letzte Satz" vum Robert Seethaler

Alle reden über Beethovens 250. Geburtstag, wir widmen uns heute einem anderen Komponisten, dessen Geburtstag sich am 7. Juli zum 160. Mal jährte: Gustav Mahler. Der österreichische Autor Robert Seethaler hat Mahler zum Helden seines neuesten Romans auserkoren, den Angelika Thomé vorstellt.

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3 min

Im April 1911 begab Gustav Mahler sich auf seine letzte Reise. Sie führte den todkranken Komponisten von New York über den Atlantik zurück nach Europa, wo er wenige Wochen später im Alter von 51 Jahren starb.

Diese Reise bildet den Rahmen von Robert Seethalers Roman "Der letzte Satz".

Seethaler positioniert den totgeweihten Musiker auf dem Sonnendeck des Dampfers Amerika und stellt ihm einen Schiffsjungen zur Seite, der diskret über sein Wohlbefinden wacht, während Alma Mahler und ihre Tochter Anna sich im Bauch des Schiffs aufhalten.

Eingehüllt in Decken und mit Fieberattacken kämpfend blickt Mahler hinaus aufs Meer und lässt einschneidende Ereignisse der jüngsten Vergangenheit vor seinem inneren Auge Revue passieren: den Tod seiner Tochter Maria, Almas Affäre mit Walter Gropius und das Gespräch mit Sigmund Freud, den er wegen seiner Eheprobleme aufsuchte.

Melancholische Gedanken dominieren

Die 19 Jahre jüngere Alma, die - laut Seethaler - "von den unterschiedlichsten Männern umflattert wurde wie eine Nachttischlampe von Holzmotten", wird, so mutmaßt der Protagonist, nur durch seinen nahenden Tod vom Gehen abgehalten.

"Sie würde bei ihm bleiben bis zum Schluss, das war mehr, als er erwarten durfte. Letztendlich war er derjenige, der ging"

,heißt es in dem Roman, der nur selten mit solch nüchternen Bestandsaufnahmen aufwartet.

Melancholische Gedanken dominieren den fiktiven Rückblick des sterbenskranken Romanhelden. Und schmerzvolle Erfahrungen. Dazu gehören auch die beruflichen Widerstände, auf die er einst als Direktor der Wiener Hofoper und zuletzt als Dirigent in New York stieß, und die öffentlichen Anfeindungen, die er u. a. wegen seiner jüdischen Herkunft über sich ergehen lassen musste.

Robert Seethaler vermittelt in seinem 119 Seiten kurzen Roman Basic-Wissen über das Leben von Gustav Mahler, der zu seinen Lebzeiten als Genie gefeiert wurde. Und präsentiert einen Gegenentwurf zum Klischee vom genialen Künstler, der längst selbst zum Klischee verkommen ist: den verzweifelten Künstler.

Ein geschickter Schachzug und gleichzeitig ein Schwachpunkt

Der innere Monolog, den er Mahler andichtet, kreist um seelische Verletzungen und körperliche Schmerzen, um Einsamkeit und die Vergeblichkeit allen Tuns. Dass es darin von Allgemeinplätzen wimmelt, mag der Kürze des Romans geschuldet sein. Aber dass Seethaler, ein Meister der minimalistischen Feder, dabei immer wieder in die Kitschfalle tappt, wirft Fragen auf:

Hat er sich an dem Thema verhoben? Was hat ihn an Mahler fasziniert? Mahlers Musik war's offensichtlich nicht!

Zwar verweist der Titel des Buches auf den letzten Satz der 9. - und somit der letzten vollendeten - Sinfonie Mahlers, der laut Spielanweisung "ersterbend" endet. Aber Mahlers Musik spielt in dem Roman nur eine untergeordnete Rolle.

Von dem Schiffsjungen auf seine Musik angesprochen, erklärt Seethalers Mahler:

"Man kann über Musik nicht reden, es gibt keine Sprache dafür. Sobald Musik sich beschreiben lässt, ist sie schlecht."

Damit legt Seethaler seinem Protagonisten die Begründung in den Mund, warum er, der Autor, über Mahlers Musik schweigt. Ein geschickter Schachzug, aber auch ein weiterer Schwachpunkt dieses Romans.