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Seismograph

Sucht nach Sicherheit

Das Thema Sicherheit dominiert nicht nur die Schlagzeilen bei unseren französischen und deutschen Nachbarn, sondern auch hierzulande. In der vergangenen Woche fielen einem dazu drei Meldungen und Bilder auf.

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3 min

Simon Larosche: Bei dir geht es heute um das Thema "Sicherheit".

Lukas Held: Ja Simon, das Thema dominiert nicht nur die Schlagzeilen bei unseren französischen und deutschen Nachbarn, sondern auch hierzulande. In der vergangenen Woche vielen mir dazu drei Meldungen und Bilder auf. Da wären zunächst einmal die Betonblöcke, die um die Fußgängerzonen unserer Hauptstadt installiert wurden - als Reaktion auf die schreckliche Amokfahrt in Trier.

Dann natürlich die Mini-Debatte um den Einsatz einer privaten Sicherheitsfirma im Drogenhotspot des Garer Quartier, was trotz aller Bedenken offensichtlich entschiedene Sache ist. Und schließlich, Place de l'Europe am Kirchberg, der Test von sogenanntem "Sicherheitsmaterial", genauer gesagt von Absperrbarrikaden, die zum Schutz europäischer Institutionen im Falle sozialer Unruhen eingesetzt werden. Ob Betonblöcke, Sicherheitsfirma oder Barrikaden - in allen drei Fällen geht es um das Thema Sicherheit und alle drei sagen etwas über unser Verhältnis zur Freiheit und zur Kontrolle aus.

Dann fangen wir vielleicht mit der Debatte um die private Sicherheitsfirma an.

Mir fällt bei der ganzen Debatte auf, dass hier so etwas Subjektives wie ein Gefühl, nämlich in diesem Fall das sogenannte "Sicherheitsgefühl" unkritisch zum Maßstab für politische Handlung erhoben wird. Denn - seien wir mal ehrlich - die Präsenz von Sicherheitspersonal bedient einzig und allein dieses diffuse Sicherheitsgefühl und trägt überhaupt nichts zur Lösung der Drogenproblematik in unserer Hauptstadt bei. Es handelt sich um reinste Laubbläserpolitik (wie ich das nennen würde), bei der es nur darum geht, ein Problem unter möglichst großem Getöse von einem Ort an einen anderen zu bewegen, ohne dabei zur eigentlich Wurzel des Problem vorzudringen. Das wissen natürlich auch alle Akteure, die Süchtigen ebenso wie die Dealer und auch die Sicherheitsbeamten selbst, deren Befugnisse ja lächerlich begrenzt sind. Und dennoch muss hier einfach ein Sicherheitsgefühl bedient werden.

Und die Betonblöcke dienen auch dem Sicherheitsgefühl?

Ja natürlich, wobei die Betonblöcke im Gegensatz zur Sicherheitsfirma noch einen Zweck erfüllen, nämlich Amokfahrten in Fußgängerzonen zu verhindern. Aber aufgrund des Zeitpunkts der Installation wird auch hier primär ein Gefühl bedient. Wenn es nämlich die konkrete Gefahr eines Anschlags gäbe, wenn das Problem also wirklich akut wäre, dann hätte man die Installation von ausfahrbaren Barrieren schon viel früher zur Priorität machen müssen.

Aber so ist das mit den Gefühlen, sie stellen Forderungen und rufen dabei zu Handlungen auf, über die nicht lange nachgedacht werden soll. Das gilt insbesondere für das Gefühl der Angst, das dem Sicherheitsgefühl unterliegt. Angst ist unwiderlegbar, der Angst kommt man mit der Vernunft nur schwer bei, denn - um es mit dem Philosophen Norbert Bolz zu sagen; "Angst hat immer Recht" (wie er es in seinem neuesten Buch Avantgarde der Angst ausdrückt).

Was bedeutet das für die Politik, die sich darauf einlässt?

Eine Politik, die sich dieses Gefühl zum Maßstab nimmt, wird damit ebenso unwiderlegbar, wie die Angst, die sie bedient. Sie begibt sich dabei zugleich auf ein gefährliches Terrain, denn sie unterwirft sich den irrationalen Forderungen des Gefühls. Sie muss nun die unwiderlegbare Angst besänftigen, sie muss für Sicherheit sorgen, mehr kontrollieren und stärker bewachen. Das kommt ironischerweise auch einer Form von Sucht gleich, nur heißt die Droge hier nicht Heroin, sondern Sicherheit.

In beiden Fällen machen wir uns abhängig von ihr, lassen uns kontrollieren und geben etwas dafür auf - nämlich ein Stück unbeschwerten Lebens. Um es etwas abstrakter zu sagen: die Angst wird bezwungen, indem wir ihr permanent einen Platz in unserem Leben einräumen. Und wie jede Droge betäubt uns auch die Droge Sicherheit.